Befürworter der BVG-Revision hoffen auf die Frauen
Von Claude Chatelain
Nach dem Ja zur 13. AHV-Rente gerieten die Bürgerlichen in eine Art Schockstarre. Man sprach von Zeitenwende und orakelte, die Linken würden bei sozialpolitischen Abstimmungen stets obenaus schwingen. Dass die Prämiensenkungs-Initiative am 9. Juni eine Mehrheit finden wird, schien nach dem Urnengang vom 5. März klare Sache zu sein. Und ja: Auch auf ein Ja zur BVG-Revision im Herbst wollte kurz nach verlorener Abstimmungsschlacht niemand mehr glauben.
Isabelle Stadelmann-Steffen ist Professorin für Vergleichende Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Sie weiss aus eigenen und fremden Studien: Je komplexer eine Vorlage, desto schwieriger ist es, an der Urne eine Mehrheit dafür zu finden. Diese Erkenntnis verheisst nichts Gutes für die Abstimmung im Herbst.
Gabriela Medici kämpft an vorderster Front gegen die BVG-Revision. Sie verantwortet beim Gewerkschaftsbund die Dossiers Sozialversicherungen und Altersvorsorge. In einem Streitgespräch im Monatsheft «Schweizer Personalvorsorge» sagte sie: «Reformen sind dann mehrheitsfähig, wenn sie auf ein konkret vorliegendes Problem eine konkrete Antwort geben». Sie bezweifle, dass dies mit der BVG-Revision der Fall sei.
Also: Wie lautet das konkret vorliegende Problem? Wie lautet die konkrete Antwort? Selbstverständlich fehlt es Befürwortern nicht an Argumenten. Sie sprechen von der längst fälligen Senkung des Umwandlungssatzes, vom tieferen Koordinationsabzug und der tieferen Eintrittsschwelle. Wäre das also die konkrete Antwort? Stimmbürger verstehen nur Bahnhof.
Zugegeben: Es gibt auch Argumente, die besser greifen. Die Arbeitgeber schiessen hunderte von Millionen ins System, damit die Arbeitnehmenden im Alter eine höhere Rente erhalten. Rund 100'000 Personen werden neu im BVG versichert sein. Über 275'000 Frauen werden höhere Leistungen bekommen.
Gerade dieser letzte Punkt, bessere Leistungen für Frauen, ist in der heutigen Zeit das wahrscheinlich stärkste Argument: So haben die Delegierten des Bundes Schweizer Frauenorganisationen, besser bekannt als Alliance F, mit 81 zu 15 Stimmen überaus deutlich die Ja Parole zur anstehenden BVG-Reform beschlossen.
Die Gewerkschaften wird das nicht daran hindern, Beispiele zu nennen, bei denen die Arbeitnehmenden bei einem Ja zur BVG-Revision schlechter gestellt wären. Man kann ihnen nicht wirklich widersprechen, weil sich immer Fälle konstruieren lassen, bei denen das Resultat so oder anders herauskommt. Dies ist der Komplexität der Vorlage geschuldet.
Wenn sie zum Beispiel behaupten, die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent führe zu Rentenverlusten von maximal 3270 Franken pro Jahr. So ist das keine leere Behauptung. Nur handelt es sich hier um einen technischen Wert, ums reine BVG-Obligatorium. Die Realität ist eine andere: die grosse Mehrheit der Versicherten hat auch überobligatorische Guthaben. Für jene, die über kein oder wenig überobligatorische Guthaben verfügen, gibts während 15 Jahren Zuschüsse.
Aber eben: Abstimmungen, vor allem bei komplexen Themen, werden mit Emotionen gewonnen, nicht mit Fakten.