Dringende Schubumkehr bei den Umwandlungssätzen
Von Beat Schmid
Kürzlich kam ich beim Risottoessen mit einem bald 90-jährigen Mann ins Gespräch. Abgesehen davon, dass er nicht mehr ganz so beweglich ist, fühlt er sich fit – oder «zwäg», wie er sagte. Seine Frau lächelte zufrieden. In den 1990er-Jahren ging er mit einem Umwandlungssatz von 7,2 Prozent in Pension.
Ein Umwandlungssatz von 7,2 Prozent bedeutet bei einem angesparten Altersguthaben von 500'000 Franken eine Rente von 36'000 Franken im Jahr oder 3000 Franken im Monat. Davon können die meisten Erwerbstätigen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, nur träumen. Sie können froh sein, wenn ihr Kapital noch zu 5 Prozent in eine Rente umgewandelt wird. Je nach Pensionskasse kann der Satz aber auch deutlich tiefer liegen.
Solche Umwandlungssätze hält der ehemalige Maschineningenieur für problematisch. «Das ist unfair gegenüber den Jüngeren. Die Sätze müssen wieder steigen», sagte er, der jahrzehntelang eine Versuchswerkstatt in einem grossen Industriebetrieb leitete und sicher über 100 Lehrlinge ausgebildet hatte.
Natürlich sind die sinkenden Quoten eine Folge der demografischen Entwicklung. Aber nicht nur: Sie sind auch das Resultat der ungewöhnlich langen Negativzinsphase in der Schweiz. Diese dauerte mehr als sieben Jahre, von 2015 bis 2022. Der durchschnittliche Umwandlungssatz im überobligatorischen Bereich sank in dieser Zeit um durchschnittlich einen Prozentpunkt auf gut 5 Prozent.
Inzwischen gilt es fast als Naturgesetz, dass die Umwandlungssätze weiter sinken. Die Menschen werden schliesslich immer älter, heisst es. Doch so eindeutig ist die Entwicklung glücklicherweise nicht mehr. Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Talsohle erreicht ist. Es besteht sogar die Hoffnung, dass die Sätze wieder steigen könnten. Die ersten Kassen haben den Anfang gemacht: Anfang November hat die Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich (BVK) angekündigt, die Umwandlungssätze ab 2025 zu erhöhen.
Für eine Person, die nächstes Jahr mit 65 Jahren in Pension geht, steigt der Umwandlungssatz im Standardrentenmodell von heute 4,64 auf 4,8 Prozent. Das ist nicht viel, aber man nimmt den Batzen gerne. Bei einem angesparten Vermögen von einer Million Franken macht das 2600 Franken pro Jahr aus. Diese Entwicklung zeigt, dass es durchaus Spielraum nach oben gibt – eine gute Nachricht für alle, die bald in Pension gehen.
Die Aussicht auf höhere Umwandlungssätze – sofern sie sich auf breiter Front durchsetzen – dürfte generell einen positiven Effekt auf die zweite Säule haben. Es gibt keine bessere Werbung für Vorsorgeeinrichtungen als das Versprechen auf höhere Renten. So stärkt man das Vertrauen ins das System, nicht durch Reformen.