Es geht auch ohne gesetzliche Massnahmen
Von Claude Chatelain
Altersvorsorge 2020, so hiess das ambitionierte Reformprojekt des ehemaligen SP-Bundesrats Alain Berset, das im September 2017 mit 52,7 Prozent Nein-Stimmen scheiterte. Es hätte die erste und zweite Säule gemeinsam reformiert.
Die Linken und Teile der Mitte-Parteien unterstützten es, ebenso der Pensionskassenverband Asip. SVP und FDP bekämpften die Vorlage.
In der zweiten Säule wäre der gesetzliche Mindestumwandlungssatz schrittweise von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt worden. In der ersten Säule war eine Anpassung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre vorgesehen. Besonders umstritten war jedoch, dass künftige AHV-Rentnerinnen und Rentner einen Zuschlag von 70 Franken pro Monat bekommen hätten. Dieser Zusatz sollte die Senkung des Umwandlungssatzes teilweise kompensieren. Plus 70 Franken AHV für angehende Rentnerinnen und Rentner? Für die Bürgerlichen ein No-Go.
Das damalige Nein kam teuer zu stehen. Noch immer beträgt der Mindestumwandlungssatz 6,8 Prozent, und ab 2026 erhalten alle Rentnerinnen und Rentner - nicht nur die künftigen - eine 13. AHV-Rente. Das schenkt mehr ein als 70 Franken pro Monat. Hätte das Prestigeprojekt von Alain Berset Erfolg gehabt, wäre die 13. AHV-Rente womöglich gar nicht erst lanciert oder angenommen worden.
Und dann eben die letztjährige Abstimmung, in der das Schweizer Stimmvolk zum dritten Mal nach 2010 und 2017 die höchstfällige Senkung des Umwandlungssatzes ablehnte.
An der Jahresmedienkonferenz 2023 des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) war die anstehende BVG-Abstimmung ein zentrales Thema. Auf die Frage nach einem Plan B im Falle eines Scheiterns der BVG-Revision sagte der damalige SVV-Präsident Rolf Dörig: «Die BVG-Revision darf nicht scheitern».
Das tönte dramatisch. Nun ist sie im zurückliegenden Herbst eben doch gescheitert und man höre und staune: Alles halb so schlimm.
Nico Fiore, Geschäftsführer von Inter-Pension, dem Verband der unabhängigen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen der beruflichen Vorsorge: «Die Herausforderungen bestehen weiterhin», sagt er, «aber sie lassen sich auch ohne eine gesetzliche Anpassung bewältigen».
Damit scheint eine Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes keine Priorität mehr zu haben. Die Vorsorgeeinrichtungen stopfen die entstehenden Lücken mit überobligatorischen Guthaben und fordern einen Marschhalt.
Handlungsbedarf sehen aber die Linken. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Die Abstimmung vom 22. September 2024 hatte noch gar nicht stattgefunden, als Motionen eingereicht wurden, die Frauen in der 2. Säule bessergestellt hätten - genau das war aber auch in der BVG-Revision vorgesehen.
Das Rezept der SP: Man nehme die unbestrittenen Teile der Gesetzesrevision, um Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte besserzustellen. Dies wiederum passt den Rechten nicht, weil damit eine Erhöhung des obligatorischen Teils einhergeht, ohne dass der gesetzliche Umwandlungssatz reduziert wird.
Wobei heute schon bei einer Vielzahl der Kassen der Koordinationsabzug dem Pensum angepasst wird. Dies aber im überobligatorischen und nicht im obligatorischen Bereich. So sind wir wieder bei Nico Fiore: «Die Herausforderungen lassen sich auch ohne gesetzliche Änderungen bewältigen».