Mehr Lebenszeit ist kein gratis Geschenk
Von Sandra Willmeroth
Eine zentrale Grösse innerhalb der Beruflichen Vorsorge (BVG) ist der gesetzlich vorgegebene Umwandlungssatz. Dieser liegt aktuell bei 6,8% und soll gemäss der in diesem Jahr zur Volksabstimmung kommenden BVG-Reform auf 6% gesenkt werden. Dann würde aus dem Altersguthaben einer versicherten Person von beispielsweise 500.000 Franken ab dem Zeitpunkt der Pensionierung eine lebenslange monatliche Rente in Höhe von 2500 Franken resultieren (500.000 x 6% : 12). Nach Ansicht vieler Experten ist jedoch selbst dieser angestrebte tiefere Satz von 6% immer noch zu hoch; sie sehen den realistischen Wert bei rund 4%, was im obigen Beispiel die monatliche Rente auf 2.000 Franken reduzieren würde.
Ein ausschlaggebender Grund dafür ist die verlängerte Lebenszeit. Für das Jahr 1985, als das Gesetz zur Beruflichen Vorsorge in Kraft trat, beziffert das Bundesamt für Statistik (BfS) die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt für Männer auf 73,5 Jahre und für Frauen auf 80,2 Jahre. Bis zum Jahr 2022 stiegen diese Werte auf 81,6 Jahre für Männer und 85,4 Jahre für Frauen. Was für die Vorsorgewerke nichts anderes als eine längere Auszahlungsperiode der Renten bedeutet. Oder anders ausgedrückt: Schweizerinnen und Schweizer verbringen gemäss einer Studie der UBS im Durchschnitt nur noch 26% ihrer Lebenszeit mit Arbeit, während der Zeitraum der Pensionierung häufig 20 oder 30 Jahre und mehr umfasst.
Um diese «Kosten» der Langlebigkeit zu decken, waren die Vorsorgewerke in den letzten Jahren des Niedrigzinsumfelds dazu gezwungen, die erforderlichen Mittel von den Erträgen aus dem Vermögen der einzahlenden Versicherten abzuzweigen. Diese Umverteilung von den rund 4,62 Millionen aktiv Versicherten zu den 893.888 Rentenbeziehenden wird von der Oberaufsichtskommission der beruflichen Vorsorge (OAK) für die Jahre von 2014 bis 2021 auf insgesamt 45,3 Milliarden geschätzt. Seit 2021 konnte diese Entwicklung jedoch aufgrund der gestiegenen Kapitalmarkterträge (gerne auch als «Dritter Beitragszahler» bezeichnet) vorerst gestoppt werden.
Aber es ist nicht die einzige Umverteilung innerhalb der 2. Säule. Denn im Überobligatorium dürfen Pensionskassen das Vermögen ihrer Versicherten sowohl mit einem niedrigeren Satz verzinsen, als auch mit einem tieferen Satz in eine Rente umwandeln - denn die gesetzliche Festlegung beider Parameter gilt nur für das Guthaben im Obligatorium. Wobei die Terminologie hier irreführend wirken kann: Im Obligatorium wird der Lohn lediglich bis 88.200 Franken jährlich versichert. Alles darüber hinaus fliesst in den überobligatorischen Teil, ebenso wie freiwillige Einzahlungen in die Pensionskasse. Dies führt dazu, dass rund 70 Prozent der Pensionskassen-Versicherten ein Altersguthaben im Überobligatorium haben. Bezogen auf die Summe des Kapitals gehen Schätzungen gehen davon aus, dass sich rund 55% des gesamten Alterskapitals im - zumeist niedriger verzinsten - Überobligatorium befinden.