Vorsorgelücken früh genug schliessen
Von Sandra Willmeroth
Die Renten aus der umlagefinanzierten 1.Säule und der kapitalgedeckten 2. Säule sollten zusammen eine Höhe von rund 60 Prozent des letzten Lohnes erreichen. Das wurde jedenfalls einst als Zielwert definiert. Mittlerweile raten Experten jedoch dazu, ein Renteneinkommen in Höhe von 80 bis 90 Prozent des letzten Lohnes zu generieren, um den finanziellen Bedarf für die Erhaltung des erreichten Lebensstandards im Alter zu sichern. Dafür reichen die Leistungen aus der 1. und 2. Säule jedoch selten aus, häufig klafft eine Vorsorgelücke, auch weil die Erwerbsbiografien immer seltener linear und stets in Vollzeit verlaufen.
Wie gross die Vorsorgelücke jeweils ist, kann jede und jeder Versicherte selbst berechnen. Dazu werden die Rentenbezüge aus der 1. und 2. Säule addiert. Eine Übersicht über die voraussichtlichen Leistungen aus der AHV kann jede versicherte Person bei der zuständigen Ausgleichskasse erfragen. Die voraussichtlichen Leistungen aus der 2. Säule sind im jährlichen Vorsorgeausweis ersichtlich. Rechnet man dann beide Renten zusammen und subtrahiert sie vom Wert, der 80 Prozent des Jahreseinkommens darstellt, beziffert das Ergebnis die jährliche Vorsorgelücke. Diese multipliziert mit dem Durchschnittswert von 20 weiteren Lebensjahren nach der Pensionierung, ergibt das gesamte Ausmass der Vorsorgelücke, die es gilt, vor Rentenbeginn zu schliessen.
Dies kann beispielsweise mittels freiwilliger Einzahlung in die 2. Säule geschehen, sofern dort eine Deckungslücke vorliegt, beispielsweise durch eine vorangegangene Kinderpause oder ein Sabbatical. Meistens lohnt es sich aus steuerlichen Gründen die freiwilligen Einzahlungen gestaffelt über mehrere Jahre verteilt zu leisten. Als Nachteil kann sich dabei erweisen, dass freiwillige Einzahlungen dem überobligatorischen Altersvermögen gutgeschrieben werden, für den viele Pensionskassen einen deutlich tieferen Umwandlungssatz vorsehen als für das Obligatorium, wo der Umwandlungssatz gesetzlich vorgeschrieben ist.
Wer seiner Pensionskasse nicht zu hundert Prozent vertraut, sei es wegen eines geringen Umwandlungssatzes im Überobligatorium oder einem zu geringen Deckungsgrad, kann die persönliche Vorsorgelücke auch oder zusätzlich mit dem Aufbau der 3.Säule schmälern – aber in der Säule 3a sind die jährlichen Einzahlungen aus steuerlichen Gründen begrenzt. Für 2024 liegt der maximal einzahlbare Betrag für Personen, die einer Pensionskasse angeschlossen sind bei 7056 CHF und für Personen ohne Pensionskassenanschluss 35.280 CHF oder maximal 20% des Jahreseinkommens nach Abzug der Sozialabgaben. Darüber hinaus ist es aber möglich, in der Säule 3b unbegrenzt ein zusätzliches Vermögen für das Alter anzusparen.
Vor allem, wenn Versicherte über keine weiteren grossen Vermögenswerte wie Immobilien oder Kunstwerke verfügen und auch keine nennenswerten Erbschaften zu erwarten haben, ist die weitsichtige Steuerung des künftigen Renteneinkommens essenziell zur Erhaltung des gewohnten Lebensstandards im bevorstehenden «längsten Urlaub», den man mit der Pensionierung antritt.